Als Antwort auf die Frage: «Was erlebst du in diesem Moment?» sagen viele Menschen der heutigen Zeit, nach dem: «Ich sehe» und «Ich höre», schon bald: «Ich denke!»
Bist du nicht auch ein wenig stolz auf dieses Bewusstsein? Ein Vogel, der auf dem höchsten Ast einer Birke sitzt und regungslos in die untergehende Sonne schaut, wird sich sicherlich nicht sagen: «Ich denke gerade.» Vermutlich hat er in diesem Moment gar keine Gedanken! Und wenn, ist er sich seines Denkens, weil er ein Tier ist, nicht bewusst.
Bist du dir sicher? Woran erkennst du, ob ein anderes Wesen in deiner Nähe bewusst denkt?
Meditation zum Denken
Finde einen ruhigen, geschützten und ungestörten Moment. Richte dich äußerlich und innerlich auf, sitze oder stehe bequem und schließe deine Augen. Lasse alle Sinneseindrücke und Körperempfindungen unbeachtet durch- oder an dir vorbeiziehen. Atme tief ein und aus, gehe mit deiner Aufmerksamkeit in die Mitte deines Kopfes und verweile hier. Sprich innerlich zu deinem Verstand: «Liebes Denken, mache für einige Minuten eine Pause.» Bleibe ganz wach, achtsam, ruhig und tief atmend in der Aufmerksamkeit im Raum deines Denkens. Nimm einfach nur wahr, was geschieht. Wie lange dauert es, bis der erste Gedanke auftaucht? Was sagt er und welche Form hat er?
Die übliche Form unserer Gedanken ist die tonlose Stimme, die in uns ist, «solange wir denken können». Sie ‹spricht› in einzelnen Wörtern und Sätzen zu uns. Gedanken habe jedoch auch noch weitere Formen. Prüfe es selbst. Zum Beispiel kurz nach dem Aufwachen. Oder bei einer längeren Fahrt allein im Auto auf einer Land- oder Schnellstraße. Was zeigt sich nun «in deinem Kopf», in deinem Denken?
Wir alle haben mitunter Gedanken in Form von Bildern in uns. Prüfe es, indem du dir jetzt das Haus deiner Eltern ‹vorstellst›. Mit einiger Übung geschieht es sogar mit geöffneten Augen: Der Anblick des Hauses legt sich wie ‹vor› das real, durch die physischen Augen, gesehene Bild. Es erscheint auf derselben ‹inneren Leinwand›. Je mehr ich mich in mein Denken einlasse, desto häufiger erlebe ich auch bewegte Bilder im Innern, als Film. So kann ich zum Beispiel (ohne auf einem Bahnsteig zu stehen) miterleben, wie jemand aus dem Zug aussteigt und in meine Arme läuft. Ich sehe sogar die farbigen Blumen in meiner Hand. Im vertieften Denken, zum Beispiel in einer Phantasiereise, ist es möglich, den Geruch einer reifen Banane wahrzunehmen, (obwohl keine in der Nähe ist), den Klang und eine Folge von Tönen einer Geige aus einem klassischen Stück, den Geschmack von Kardamon im Kaffee und die Oberfläche einer Breitcordhose als Tastempfinden.
Mein Denken macht (zum Glück) mitunter Pausen. Zum Beispiel in der obigen Meditation. Oder wenn ich mich ganz einem Sinneserleben widme, siehe Ströme sechs bis zwei. Oder nach einem schweren Mittagessen in der Kantine, wenn ich wieder vor meinem Bildschirm sitze. Unser Bewusstsein ist heute hoch genug, um Stille im Denken auch im Alltag mehr und mehr zu erleben.
Die permanente Gehirntätigkeit der Regulierung und Kontrolle des Körpers ist kein ‹Denken›. Ein begnadeter Trommler bewegt in rascher Folge seine Hände und Finger über das Fell, ohne dabei zu denken. In der «inneren Stille» tauchen keine Gedanken in mir auf und ich denke auch nicht aktiv. Gleichzeitig sendet mein Gehirn unzählige Impulse in den Körper und empfängt auch ebensoviele.
Ich denke und habe Gedanken. Die möglichen Formen der Gedanken sind die tonlose Stimme, eine tonvolle Stimme, ein Klang, Geräusch, ein Bild, ein Film und im vertieften Denken auch ein Geruch, Geschmack oder Tasteindruck oder mehrere dieser Formen zugleich. Gedankliche Bilder sind farbig. Ich höre meine Gedanken in mir auch mit verschlossenen Ohren. Ich sehe meine Gedanken in mir auch mit geschlossenen Augen. Ich erlebe Momente ohne Gedanken und ohne zu denken.
Ich kann mich im Denken an zurückliegende Sinneseindrücke und Gedanken erinnern.
Wenn ich «in Gedanken bin», ist meine Aufmerksamkeit vor allem auf den Inhalt meiner Gedanken gerichtet - Sinneseindrücke und Körperempfindungen nehme ich nun nur noch unterbewusst wahr.
Denken als Teil des Gemüts
In der weiteren Untersuchung des Denkens als Teil unserer Natur, unseres Gemüts, findet der Forschende in sich angelegte Strukturen und damit persönlich wiederkehrende Gedanken und Ketten von ihnen. Jedes gehörte Wort und zumeist jede alltäglich erlebte Situation ist in uns mit bestehenden Gedanken verknüpft. Wir haben ein riesiges Netz aus Gedankenstrukturen, ein Gedanke führt stets zum nächsten und so haben wir von jedem uns bekannten Menschen, Ding, Tier, Wesen und auch Begriff eine ganze innere Sammlung voller verbundener Informationen. Prüfe es selbst: Schlage ein Wörterbuch an einer beliebigen Stelle auf, tippt mit deinem Finger auf ein beliebiges Wort und erlebe, was dir spontan zu diesem Wort ‹einfällt›. Dieses sind die in dir angelegten Strukturen. So gibt es Gedanken (-strukturen) in uns, die uns «nicht mehr loslassen», die uns immer wieder beschäftigen. In gewisser Weise bilden unsere in unserer ‹Person› erschaffenen Gedankenstrukturen eine eigene ‹innere Welt› voller Vorstellungen.
Ich trage in mir eine Struktur aus verbundenen Gedanken.
Zum Weiterforschen
Wenn ich mir eine Aufgabe stelle und sie im Kopf löse, dann ‹mache› ich mir meine Gedanken. Wenn ich meinen Verstand bitte, für eine Weile still zu sein und der erste Gedanke ‹kommt›, dann ‹habe› ich einen Gedanken. Mitunter habe ich eine Eingebung oder Idee. Wer hat sie gemacht?
Blicke einem neugeboren Kind in die Augen. Hast du den Eindruck, dass es gerade denkt? Ab wann beginnt ein Kind zu denken und seine ersten Gedanken zu haben?
Blicke einem erwachsenen Menschen in die Augen. Kannst du feststellen oder ahnen, ob er oder sie gerade denkt?
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Siehe auch: jahnna - das Buch der Menschen, 22 Seiten Geschichten, Betrachtungen und Beispiele zum Denken im Abschnitt «ich denke und habe Gedanken». Auf vielen weiteren Seiten Übungen zum Denken, die Untersuchung der Strukturen des Denkens, im Abschnitt «ein Gedanke kommt selten allein», die Erforschung der gedanklichen Anteile in vielen benannten Emotionen sowie die erlebbare Stille im Denken. jahnna Verlag, 2014, Überlingen
ein offener Weg zu innerem Frieden und Gewahrsein. Das gemeinsame Erforschen unseres vor allem inneren Erlebens. Ein Aufruf zum Leben mit offenem Herzen.
erleben.wiki veröffentlicht am 3.4.2015, letzte Änderungen am 9.6.2015
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